Das Herz der Nacht

Lucian horchte aufmerksam, als Jonathan sie warnte. Sie hörte dieses Klicken ebenfalls - sie kannte dieses Geräusch nur zu gut, es löste in ihr das Gefühl von Kälte in ihren Gliedern aus. Sie stieß sich sanft von Jonathan ab, sie brauchte die Bewegungsfreiheit, durfte nicht eingeschränkt sein, wenn der Ursprung dieses Geräusches wirklich das war, was sie vermutete. Sie stützte sich an einer Mauer ab, grub ihre Finger wie Klauen in das feste Mauerwerk; einzelne kleine Steinchen lösten sich und rieselten auf den Boden. Ihre Anspannung war zum Greifen nahe. Ihre Augen huschten über ihre Umgebung, wie Bluthunde auf der Jagd. Als sie das fand, was sie gesucht hatte, kniff sie ihre Augen wie eine Raubkatze zusammen, fing so das verbliebene Licht ein. Im großen Schatten, hatte sie einen weiteren Schatten erspäht; es war ein körperlicher Schatten, mit einem schlagenden Herzen. Sie konnte es genau hören, konnte wahrnehmen, wie das Blut durch seine Adern pulsierte. "Komm raus. Du willst mich doch töten, dann sehe mir dabei wenigstens ins Gesicht, Bastard." Sie wartete darauf, dass der Mensch sich von dem Schatten befreite, seine Gestalt zeigte. Was sie dann tun würde, stand noch in den Sternen.

"Ich falle nicht.", murmelte Davis und ließ die Berührung widerwillig geschehen. Er konnte spüren, wie sich sein Körper dagegen sträubte; ihm gefiel es nicht, dass Andrew seinen Freund davon gestoßen hatte. Doch er dachte an Andresw Argumente. Irgendwann würde er verschwinden, dass nahm sich Davis in diesem Moment vor. Jules zu sich holen und mit ihr Leben. Als Mensch und Vampir, sie würden jeder Gefahr trotzen. Es würde klappen, aber so lange, bis er seine Kraft kontrollieren konnte, musste er sich an Andrew halten.

Jonathan ließ Lucian widerwillig los. Er spürte, dass das was dort im Schatten lauert kein Mensch war. "Lucian, er ist einer wie wir", sagte er düster und seine Augen verdunkelten sich. Lucian konnte mit ihren Verletztungen nicht alleine gegen ihn antreten, sie würde nicht direkt sterben, aber noch mehr Verletztungen haben, als wie vorher.

Mist, dachte er, dennoch trat er aus dem Schatten hinaus. Seine Stiefel stampften auf dem Boden und seine dunklen Augen waren voller Hass. "Du bist doch selber auch nicht besser", die 9mm leuchtete in der Dunkelheit.
Er bleckte seine Zähne und knurrte.

"Sicher?", Andrew musterte Davis von oben bis unten, stellte dabei fest das Davis Kräfte sich aufbaueten, er wurde stärker. Er tretete einige Schritte von dem jungen Vampir weg, seine Augen glänzten. Sein "Fleisch und Blut" wurde langsam zu dem was er gemacht worden ist und das erfreute Andrew. Es würde vielleicht noch einige Wochen dauern, aber Davis würde ein hervorragender Vampir werden. Vielleicht sogar einer der sowas wie Pablo und Jules töten würde.

"Meine Eltern waren verheiratet.", entgegnete Lucian grinsend, ignorierte die Tatsache der Waffe. Von seinen Zähnen war sie genauso wenig beeindruckt. Sie hatte doch selbst ein Paar dieser Dinger im Mund. "Was willst du?" Sie lockerte ihre Hand und sah aus den Augenwinkeln, wie sie drei Löcher in die Wand gedrückt hatte. Ich bin immer noch stark, nur etwas .. müde.

"Lass uns verschwinden.", knurrte Davis und wandte sich schweren Herzens von Jules und Pablo ab. Sie würden zurück in sein Haus gehen, aber ohne ihn. Ironie des Schicksals.

Der Fremde kniff die Augen zusammen, was hatten die Eltern des Mädchen mit dieser Situation zutun? Er konnte sich keinen Reim darauf machen, also senkte er die Waffe etwas. "Du hast eben gerade meinen kleinen Bruder getötet, das war dir klar oder?", letztendlich steckte er die Waffe doch ganz weg. Vielleicht hatte sie das ja nicht unbeabsichtig gemacht, sondern wollte nur jemanden schützen? Vielleicht war sie eine von den guten?

Andrew nickte ihm zu, wandte kurz den Kopf zu den beiden Jägern um, dann wieder zu Davis. "Dann komm", er drehte den jungen Vampir um, erneut dieses Klicken. Andrew war stocksteif, wie hinterhältig!

Trotz seinen Schmerzen richtete Pablo, mit Jules, die Waffe auf Andrew. Wenn er schon mal alleine war, wieso dann nicht für immer? "Gib uns Davis, dann kannst du seelenruhig verschwinden, aber gib ihn uns!" drohte der Mann dem Vampir, er wollte seinen besten Freund nicht noch einmal mit diesen Ungeheuer ziehen lassen, abgesehen von den anderen zwei Bestien die auf die beiden warteten. Jules drehte nochmal, bis ein klicken kam. Ihre Munition hatte den Ausgang gefunden, sie war bereit zu schießen.

"Ich konnte mich nicht beherrschen.", verteidigte sich Lucian, obwohl es ihr ziemlich egal war, wer ihr zum Opfer gefallen war. Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. "Wer war das Mädchen bei ihm? Ich schien sie aus einer verzwickten Situation gerettet zu haben."

Davis blieb wie angewurzelt stehen, als er das Klicken vernahm. Sie wollten nicht so schnell aufgeben und er war gerührt. Selbst als Monster mochten seine Freunde ihn noch haben.

Er zuckte mit den Schultern, was interessierte ihm das Mädchen? "Vielleicht eine Prosituierte", meinte er knapp und sah ihr in die Augen. "Mordlust?", wollte er wissen, denn in ihren Augen war etwas, nur er konnte nicht genau deuten was.

Andrew knurrte. "Die lieben dich wirklich", entkam es ihm und er drehte sich nun ganz um. Die Läufe der Waffen waren auf sie gerichtet und die Mienen der beiden zielstrebig. Nein, die würden heute nicht aufgeben, selbst wenn sie ihnen folgen müssten zu ihrer Wohnung in der Stadt. Sollten die beiden erfahren wo ihre Wohnung liegt und sich eines Tages auslöschen lassen? Nein, dies war ihm zu gefährlich, sie würden sich eines Tages Davis zurück holen, denn sie wissen genau wo Jules, Pablo und Davis wohnten. "Geh zu ihnen, ansonsten wird das hier blutig enden".

"Durst. Der Wille zu leben, trifft es eher.", meinte Lucian. Der Mann ging ihr langsam auf die Nerven. Sie strich sich eine rote Strähne aus dem Gesicht und ließ den Laternenschein auf ihr blasses Gesicht strahlen. "Also .. willst du mich nun töten oder kann ich gehen?" Sie provozierte gerne, bleckte ihre Zähne und sah den Mann herausfordernd an.

Davis glaubte seinen Ohren nicht recht zu trauen. Er lässt mich einfach gehen? War das womöglich eine Falle? Der junge Vampir sah sich um, sah Jules an. Konnte er es verantworten, in ihrer Nähe zu sein?

Er nickte, wie Recht sie hatte und wievielen Menschenleben dieses Gefühl gekostet hatte, konnte er nur schätzen. War sie schon lange eine? Erst kürzlich oder seit eben? Nein, dass letzte konnte man streichen. Er schätze das sie schon einige Weile dieses Leben führt. "Nein, heute nicht, dass wäre zu einfach", er steckte seine Waffe weg und drehte sich, bereit zugehen.

"Entweder gehst du zu ihnen und hier wird geschlachtet", meinte Andrew nochmal kurz. Ja, sie würden ihn eines Tages wiederholen, aber vielleicht wird Davis in seiner Zeit bei Jules und Pablo merken, wieso sie die Jäger verabscheuten. Es könnte allerdings auch nach hinten losgehen und Davis könnte sie weiterhin jagen, aber damit würden sie leben können und wenn ihn dann ganz töten.

"Nächstes Mal kannst du mir deinen Namen sagen.", knurrte Lucian und wandte sich wieder zu Jonathan um. Er war die ganze Zeit still gewesen. Die Vampirin lehnte sich an seine Schultern und bevor sie sich versag, wurde ihr schwarz vor Augen und Jonathan blieb nichts anderes übrig, als sie zu fangen, bevor sie auf dem Boden prallte.

Davis zögerte nicht lange und ging schnell, aber vorsichtig zu Pablo und Jules. Seine Augen leuchtete vor Aufregung und vor Glück.

Jonathan beugte sich nach vorne um Lucian auf zufangen, damit sie nicht auf den harten Boden aufprallte. Er legte einen ihrer Arme über seine Schulter und trug sie die Treppen hinauf, bis hin in die Wohnung. Dort brachte der Mann das Mädchen ins Schlafzimmer von Andrew und legte sie aufs Bett.

Jules stand der Mund offen, kam da gerade wirklich Davis auf sie zu? Würde er bei ihnen bleiben? Klick, klick. Ihre Augen blickten zur Seite und Pablo ladete seine Waffe. Wollte er auf Davis schießen? Peng. Der Lauf der Pistole kippte leicht nach hinten, ein Schuss wurde abgefeuert und die Munition flog zu den beiden Vampiren hinüber.

Lucian stöhnte als sie aus der Ohnmacht erwachte. Ihr Kopf dröhnte und ihre Wunde schmerzte, schloss sich aber langsam von selbst. Es würde nicht lange dauern, bis man nichts mehr sah. Die Vampirin griff in den Untergrund, auf dem sie lag und spürte die Decke unter ihrem Körper.

Davis blieb stehen. Panik stieg in ihm auf. Galt der Schuss ihm? Seine Augen weiteten sich, als er sah, wie die Kugel auf ihn zukam. Es war, als würde alles in Zeitlupe geschehen. Er hatte jede Menge Zeit auszuweichen. Er hätte sich einfach nur ducken können, aber er blieb stehen und erwartete, wie die Kugel in sein Herz fahren würde. Seinem Leben ein Ende setzen. Wenn Pablo das beabsichtige, würde es wohl richtig sein. Er blickte Jules in die Augen. Das letzte, was er sehen wollte, sollten ihre Augen sein.

Jonathan stand vor dem Fenster, das tat er schon eine Weile und wartete bis Jules aufstand. Andrew war immernoch nicht zu Hause und das machte ihm ebenfalls Sorgen. Wo blieb sein Freund? Wer war dieser fremde Mann? Alles in allem waren die letzten paar Stunden komisch.

"Pablo!" kreischte das Mädchen und der Jäger schrak hoch. "Nein, weg da Davis!", schrie der Mann seinem Freund entgegen, er wollte nicht auf ihn schießen, aber wusste auch nicht warum er das tat. Er schüttelte sich den Kopf und warf die Waffe beiseite, nein! Das konnte nicht wahr sein!

Lucian setzte sich ächzend auf. Vor ihren Augen flimmerten Lichter. Kurz bemerkte sie die Gegenwart des Halbvampirs, ließ sich aber wieder auf das Bett sinken.

Kurz zuckte der Junge zusammen - kurz bevor die Kugel einschlagen konnte. Er sah die Panik des Mannes und den Schrei des Mädchens. Er blinzelte - sah die Munition vor seinem Blick, konnte sehen, wie sie sich schnell in der Luft drehte. Geistesabwesend, die Kugel im Blick, duckte sich der Junge weg. Die Kugel flog knapp an ihm vorbei. Das war knapp.

Jonathan hörte das ächzend und drehte sich herum, es war Lucian. Danach hörte er das knarren vom Bett und ihm wurde bewusst da Lucian noch nicht fit war, aber wer konnte ihr das verüblichen?

Für kurze Zeit herrschte absolute stille, alles war ruhig. Man hätte wortwörtlich eine Nadeln fallen hören. Pablo atmete auf, als die Kugel an Davis vorbei schoss. War es wirklich er, der auf Davis schoss? Wie gesagt, zumindest verlor die Munition ihr Ziel. Jules hätte wahrscheinlich kreischen können vor Freude.

"Erkläre mir bitte, was passiert ist, Jonathan.", meinte Lucian und fuhr sich mit der Hand über die geschlossenen Augenlider. Sie wollte es aus dem Mund eines anderen hören. Nur um sicher zu gehen, dass es genauso war, wie sie es wahrgenommen hatte.

Davis blieb wie angewurzelt stehen. "Du wolltest mich nicht treffen, oder?", fragte er Pablo und seine Augen blickte in die Leere. Er konnte es gar nicht fassen. Er war einer Kugel aus der Waffe seines Freundes nur knapp ausgewichen - war das echt gewesen?